Zürich/Halle/Berlin, 07.11.2016. Das Leben in der Wildbahn ist durch Beutegreifer, Futterknappheit, raue Klimabedingungen und starke Konkurrenz geprägt. In Zoos dagegen sind die Tiere vor diesen Gefahren geschützt.
Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Universität Zürich (UZH) und des Zoologischen Gartens Halle hat nun bei über 50 Säugetierarten untersucht, ob diese Tiere im Zoo oder in der Natur länger leben. Die scheinbar triviale Frage nach der Lebensdauer von Tieren ist nicht einfach zu beantworten. Besonders bei Tieren in der Wildbahn ist es extrem schwierig, die genauen Geburts- und Todesdaten der Mitglieder einer bestimmten Population zu bestimmen.
Zoologische Gärten dagegen zeichnen in der Regel alle Daten ihrer Tiere lückenlos auf. Mittlerweile stehen auch genügend Studien von freilebenden Tieren mit genauen Altersangaben zur Verfügung, um die Lebensdauer in der Natur und in Zoologischen Gärten vergleichen zu können.
Auch Fleischfresser leben länger
Ein von den Universitäten Zürich und Lyon, sowie dem Zoo Halle geleitetes Forschungsteam hat dies nun getan und analysierte die demografischen Parameter von mehr als 50 Säugetierarten. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass über 80 Prozent der Arten im Zoo länger leben als in der Wildbahn – darunter so verschiedene Arten wie Kaffernbüffel, Rentiere, Zebras, Biber oder Löwen. „Alle 15 Raubtierarten erreichten gemäss unseren Datensätzen eine höhere Lebensdauer im Zoo“, sagt Marcus Clauss, Professor für Vergleichende Verdauungsphysiologie von Wildtieren der UZH. „Offenbar ist auch als Räuber das Überleben in der Natur nicht unbedingt leicht.“
Zooverband begrüßt Studie
Der Verband der Zoologischen Gärten (VdZ), der im deutschsprachigen Raum 70 wissenschaftlich geleitete Zoos vertritt, begrüßt die Ergebnisse der Studie.
„Zootierhaltung muss unter wissenschaftlichen Kriterien beurteilt und weiterentwickelt werden. Die Ergebnisse der Studie entkräften das häufig von Zookritikern vorgebrachte Argument der ungewöhnlich hohen Sterblichkeitsrate von Zootieren und belegen, dass die Zoos den Tieren artgemäße Lebensbedingungen bieten“,
sagt Volker Homes, Geschäftsführer des Verbandes der Zoologischen Gärten (VdZ).
Komplexe Beurteilung von Zoos
Die Forscher betonen, dass die Lebensdauer nur ein Faktor unter vielen ist, um die Tierhaltung ethisch beurteilen zu können. „Die vielleicht wichtigste Erkenntnis unsere Studie ist, dass das Leben in der Wildbahn kein Dasein unter paradiesischen Bedingungen ist“, schliesst Prof. Clauss. Die Studie kommt auch zur Erkenntnis, dass einige wenige, besonders langlebige Arten in der Natur eine etwas höhere Lebenserwartung hatten. Dies betrifft zum Beispiel die Schimpansen. „Gerade bei den Menschenaffen und den Elefanten wurde in den letzten beiden Jahrzehnten jedoch in einem enormen Umfang in neue Anlagen und Haltungssysteme investiert“, stellt Dr. Dennis Müller, Co-Autor der Studie und Direktor des Zoologischen Garten Halle fest und erläutert weiter:“ Den Erfolg dieser Anstrengungen wird man aufgrund der Langlebigkeit dieser Arten jedoch erst in 20 – 30 Jahren statistisch belegen können.“ Die Studie endet mit der Feststellung, dass angesichts des massiven Artensterbens im Freiland durch die Vernichtung von Lebensräumen Zootierpopulationen von unschätzbarem Wert für den Erhalt der biologischen Vielfalt seien. Dies gelte insbesondere auch für alle sechs Menschenaffenarten, die in der Natur alle akut vom Aussterben bedroht sind.
Die Studie finden Sie hier: http://www.nature.com/articles/srep36361
Kontakt:
Prof. Marcus Clauss
Vetsuisse-Fakultät Zoo-, Heim- und Wildtiere, Universität Zürich
(mclauss@vetclinics.uzh.ch, Tel: + 41 44 635 83 76)
Dr. Dennis Müller
Geschäftsführer und Zoodirektor Zoologischer Garten Halle GmbH
(office@zoo-halle.de , Tel.: + 49 345 5203 300)
Foto
(Jaguar) – Gerade Raubtiere wie diese beiden 15-jährigen Jaguare im Bergzoo Halle zeigen in Zoos eine deutlich höhere Lebenserwartung als in der Natur.